Dokumentararchäologie – Waschungen als archäologisches Prinzip
Nicht Dinge sondern Menschen gräbt der Archäologe aus
Sir Mortimer Wheeler
Während die Recherche in historischen Erzählungen der Archive in der Tiefe, beim Ältesten beginnen, geht die Waschung am Objekt als archäologisches Prinzip genau in entgegengesetzter Richtung vor. Um in die Tiefe der Vergangenheit zu gelangen, muss zunächst die jüngere, aktuelle Schicht entfernt werden. Herr B. beschreibt den Prozess der Freilegung als „Durchstoßung“, Schicht für Schicht, dokumentiert als „guter archäologischer Bericht“. Denn, so B. „Und gewiss ist´s nützlich beim Graben nach Plänen vorzugehen“. Sir Mortimer Wheeler, ein Profi der Archäologie, erdachte 1929, drei Jahre vor B´s Denkbild „Ausgraben und Erinnern“, die Grabungswissenschaften methodisch durchzuführen. Erde in Selektionen zu unterteilen und diese Teile anzuschreiben, ihnen eine Geschichte zu geben. Die Idee setzte sich durch. Jede noch so kleine Differenzierung von Schichten in ihrer Materialität wird seit dem durchleuchtet um somit komplexe Verbindungen von Zeit und Raum in der Geschichte der Menschheit herzustellen. So entstanden erste Abdrücke der Zeit als graphische Replik. Muster, Strukturen, Vexierbilder und Schattenmalerei – eine neu Bildhaftigkeit der Natur als dekontextualiserte Kostbarkeit, frei gegeben zur Konservierung einer Erinnerung. Ob B. genau diese „Erplanung“ des Erdreichs meinte, als er „Ausgraben und Erinnern“ schrieb, bezweifle ich. Aber er hätte sicher seine Freude auch an der Sinnlichkeit solcher „epistemischen“ Anordnungen dieser Schnittstellen gehabt.
Unklar auch, ob sich der Archäologe bei der Dokumentation seiner Grabung voll und ganz dem Medium Fotografie verpflichten sollte. Zeichnungen, so ist man sich in dieser Wissenschaft bald einig, klären differenzierter Freigelegtes. Glätten mit der kognitiven Fähigkeit des Zeichners das aufgewühlte Erdreich und Unschärfen im Motiv. Er leitet mit dem Stift den Blick aufs Wesentliche, lässt Deutbares sichtbar werden. Im unmittelbaren Vergleich der Arbeitsteilung, nimmt der dokumentarische Blick des Fotografen nur das „Geschehen als Ganzes“ auf, der Stift des Zeichners aber sieht das Detail, entzerrt das Motiv und schärft den Blick.
Jedoch erscheint mir hier ein kurzer Blick in die Abfolge der Ereignisse in die Historie des fotografischen Sehens an dieser Stelle wichtig, um die Uneindeutigkeit der Schnittstellen im dokumentararchäologischen Kontext gegenüber arrivierter Grabungs- und Geschichtswissenschaft anzumerken.
Mit einer schönen Idee begann der Mensch sich mit der Vorstellung zu begnügen, dass „Ausflüsse“ ständig an den Körpern wie „Häutchen“ oder „Filme“ haften. Sich wie Rinde von den Bäumen lösen und unsere Sinnesempfindungen auslösen. Lukrez nennt diese subtilen Emanationen, exuviae cortex. Erkennen lassen sich die „abgelösten Häutchen“ in ruhigem Wasser, blanken Flächen, Spiegeln und im Auge eines Tieres. Schade nur, dass der Mann, der sich eben noch darin betrachtet hatte und nun seiner Wege geht, sogleich vom Spiegel vergessen wird. Wie also wäre es, könnten wir unser Abbild fixieren, so dass das Häutchen auf der Oberfläche haften bliebe? Oliver Wendell Holmes, Photograph und Photokritiker, schrieb 1859 dazu: „Wenn jemand dem Demokrit von Abdera einen Metallspiegel vors Gesicht gehalten und ihn gebeten hätte, hineinzuschauen, während sein Herz dreißig oder vierzig Mal schlug, und wenn er diese Aufforderung mit dem Versprechen verbunden hätte, eines der von seinem Gesicht ausgegangenen Häutchen würden auf dem Spiegel haften bleiben, so dass weder er selbst noch der Spiegel, noch auch irgendjemand sonst vergessen werde, wie er aussah, wäre der lachende Philosoph wahrscheinlich in ein Gelächter ausgebrochen“.
Herr Holmes aber lacht nicht. H. kann endlich die Häutchen für die Ewigkeit fixieren. Und damit plagen ihn ganz andre Geister. In den, wie er sie nennt, „Spiegeln mit Gedächtnis“, erkennt er die Gefahr von der Beliebigkeit der Aussagen. Er prophezeit die Inflation von Meinungen und ahnt voraus, dass unaufhaltsam Bilderfluten die Köpfe leerspülen wird und niemand mehr der Natur der Dinge vertrauen kann. Im Rausch des Bildkonsums müsse daher schnellstmöglich eine Ordnung, wider der sich rasant ausbreitenden Entwertungen etabliert werden. Mehrdeutigkeiten sollten vermieden und Auf- bzw. Vorgaben für die Ablichtung klar definiert sein. Das bedarf rigoroser Reglementierung. Normen mussten formuliert, Brennweiten bestimmt, Motive klassifiziert und Bilder mit einer detaillierten Beschriftung versehen werden. Nur so, meinte Herr H., könnte die Wildheit der Hydren technischer Bildproduktion gebändigt werden. Aber H. glaubt daran, dass der Mensch auch diese Hindernisse meistern wird.
„Es wird behauptet, dass die Explosion einer Granate photographiert werden kann.
Vielleicht ist die Zeit nicht mehr fern, da ein Blitzlicht, so plötzlich und kurz wie der Blitz,
der ein rotierendes Rad stockstill stehen lässt, die mächtigen Armeen,
die sich gegenwärtig sammeln, im Augenblick ihres Zusammenstoßes festhalten wird„
Oliver Wendell Holmes
Jenseits dieser Doktrin, erarbeitete sich William Fox Talbot zeitgleich Bilder, die explizit nicht künstlich von Menschenhand diktiert, daher als pure Ergebnisse der „Einschreibung von Licht“ als Abdruck der Natur, die der Imaginationskraft eines Künstlers nicht bedurften. T. wollte die Welt Scheibchenweise selektieren, neutral und objektiv, um unverfälscht zu sehen wie sie wirklich ist. T. vertraut dem neuen Medium bedingungslos. Eine Manipulation durch Menschenhand erscheint ihm unmöglich, wenn man (nur) der Reinheit des Lichts vertraut.
Mit dem „Stift der Natur“ sollte die Vormacht der menschelnden Malerei in ihrer handwerklichen Beschränktheit, Bestechlichkeit und subjektiver Voreingenommenheit hinterfragt werden. Fotografie sei objektiv Realitätstreu. Warum nicht den menschlichen Augapfel in all seiner Trägheit durch das gläserne Objektiv ersetzen? Mechanik kann nicht Lügen. Sind die Fragen der Abbildungsqualität geklärt erweitert die fotografische Apparatur das Spektrum des menschlich Sichtbaren. Ist somit dem Hirn überlegen.
Die Tafeln dieses Werkes (sind) durch nichts anderes zustande gekommen als durch die Einwirkung des Lichts ohne Unterstützung durch irgendjemand, der mit der Zeichenkunst vertraut wäre.
Die Hand der Natur hat sie abgedruckt.
William Fox Talbot
Jedoch ohne Licht ist der Fotograf hilflos. Der Maler aber kann hinter die Grenzen des Lichts sehen. Er fühlt, tastet, erahnt und deutet das Motiv. Externalisiert, Transzendiert. Demnach ist die Fotografie als Instrument der Beweissicherung, Überwachung und Diagnose als Ergebnis eines Abklatschverfahrens hilfreich aber zur Vermittlung geistiger Prozesse ungeeignet.
Noch heute, über 190 Jahre nach der Einführung des motivsichernden Bildverfahrens, ist das Realismus Konzept keine bloße historische Auffassung. Vielmehr ist die Fotografie in vielen Bereichen von ungebrochener Aktualität als Objektivierungs-, Legitimierungs- und Institutionalisierungsinstanz. Falls doch ein fotografisches Bild der Lüge überführt wurde, ist es immer noch der Mensch der das Motiv verführt hat zu lügen. Das Belichten führt nur aus, was sich im Moment des „Klicks“ ereignet. Im Bild gibt es nur das Jetzt. Kein Davor oder Danach. Jede Inszenierungen vor und nach dem Klick, ist eine Manipulation. Wissentlich oder unbewusst verführt der Mensch die Bilder zur Lüge. Die Technik aber schweigt.
Es ist also fraglich, wie weit sich die Dokumentararchäologie der Medialität einer Fotografie ausliefern darf. Zumal Bilder auch nur das zeigen was sie selbst nicht sind.
Herr John Ruskin ist Maler, Schriftsteller, Kunsthistoriker und Sozialphilosoph. Er liebt Architektur, wenn sie sich ihm in reiner Form offenbart. Ein „Evangelium der Schönheit“, sagt er. Aber diese Welt ist bedroht. In Kriegen und zunehmender Industrialisierung sieht er menschliche Tugend und künstlerische Schaffenskraft bedroht. Seiner besonderen Liebe gehört Venedig. Trotz Cholera, Hunger und Kriegsverlusten bricht er 1849 auf in die gequälte Stadt. Er ist fast besessen von der Aufgabe, die Bauten des mittelalterlichen Venedigs, seiner Serenissima, als sterbende Schönheit im Bild festzuhalten. Er zeichnet beschreibt und fotografiert. Er weiß, in wenigen Jahren werden die morbiden Fassaden, Paläste und Plätze verbaut, abgerissen und entwürdigt sein. Er liest in den Steinen, fertigt Abgüsse an und erzählt ihre Geschichte. Ruskin verfiel in einen wahren Materialrausch „stone by stone, to eat it all up into my mind, touch by touch“. Er füttert sich bis er fast platzt. Er rückt der Architektur auf den Leib, fragt, nervt. Den Bibliothekar des Dogenpalastet befragt er „ob die Fenster, die kein Maßwerk haben, früher welches besaßen? Niemals, sagt dieser. Es gibt nicht die geringste Spur davon“ Ruskin aber ist mit dieser Antwort nicht zufrieden. Er fühlt, dass die Fenster skelettiert gewesen sein müssen. „Ich nahm die Bibliotheksleiter und öffnete alle Fenster, auf allen Seiten.“ Und natürlich findet er Ansatzstücke für das Steinwerk. „Und schließlich fand ich in einem Fenster auf der Rückseite, dessen bloße Existenz wahrscheinlich allen Autoren, die über den Palast geschrieben haben, entgangen war, einen der gedrehten Schäfte mit Kapitell und allem dran.“ Er dokumentiert seinen Fund, lässt aber den Bibliothekar in Unwissenheit zurück. „Soll er doch selbst danach Ausschau halten“.
Aber auch er misstraut seinen Augen vor Ort. In einem Brief an den Vater schreibt er; „Ich bin heute den ganzen Markusplatz abgelaufen, und habe auf der Daguerreotypie viele Dinge gefunden, die ich am Ort selbst niemals wahrgenommen hatte”. Sein Rundgang auf dem größten Platz Venedigs war gerade mit der Lupe virtuell beendet, als ihm klar wurde, dass ihm diese kleine Platte voll Magie die Wirklichkeit verkleinert mit nach Hause gab. Es bestand also die Möglichkeit, mit diesen „hellen kleinen Platten“ ganze Häuser und Landschaften in die Tasche zu stecken und davonzutragen. Der Reichtum an Details den dieses Stückchen Blech enthielt war unerschöpflich. Ohne diese Fotografie hätte er den Markusplatz gar nicht erfassen können. Nun erst sah er Gegenstände, die vor Ort nicht zu sehen waren. Immer neue Einzelheiten und Feinheiten strömten auf ihn ein, so dass er kurz die Augen schließen musste um nicht den Geist zu überlasten.
Welche konkreten Gegenstände Herr R. entdeckte, wird in diesem Brief nicht mitgeteilt. Aber der Fakt überhaupt Entdeckungen durch die Magie des mechanischen Blicks einer Kamera aufzuspüren, faszinierte das Publikum. Mit der Lupe in der Hand konnte man nun, en miniature, nicht nur auf Reisen gehen, sondern auch zum großen Entdecker werden. Die Lupe erzeugte nicht nur den anderen Blick, nein sie ließ den Forschenden in die Natur der Motive einsteigen und in den Tiefen der Peripherien graben ohne sich schmutzig zu machen.
Gerade also die Details im Hintergrund und an den Rändern wurden zu spannenden Landgängen einer Neuentdeckung. „Der Rand des Bildes ist genauso interessant wie das Zentrum“ äußerte sich Eugene Delacroix erstaunt über die ersten Bilder. Natürlich nicht vergleichbar mit dem Blick des Künstlers auf die Welt. „Das Beiwerk ist so entscheidend wie der Hauptgegenstand; meist fällt es zuerst auf und brüskiert den Blick“, schrieb der Maler in sein Tagebuch. Warum sollte die Menschheit auch den Schutt der Städte vergangener Zeiten festhalten, wenn doch so viele heroische Gesten der Menschheit zu manifestieren sind. Das meinte nicht nur Herr Delacroix. Die Fotografie als Kontrahent zur Kunst, unmöglich! Aber festzuhalten bleibt, die Fotografie hat das Sehen neu erfunden. Nun konnten auch Nebensächlichkeiten fesseln. Walter Benjamin beschrieb später das Betrachten von Details auf mechanisch gefertigten Bildern als Zwang, den jeder Betrachter von Fotografien unwiderstehlich spürt und dazu nötigt „in solchem Bild das winzige Fünkchen Zufall, Hier und Jetzt, zu suchen, mit dem die Wirklichkeit den Bildcharakter gleichsam durchsengt hat, die unscheinbare Stelle zu finden, in welcher, im Sosein jener längst vergangenen Minute das Künftige noch heut und so beredt nistet, dass wir, rückblickend, es entdecken können“ Vielleicht also, ist die Fotografie nur ein „würdiger Ersatz“ für die Wirklichkeit, in der wir keine Nebensächlichkeiten sehen können, da sie vom zu lautem Sein verdeckt wird.
Francis Wey, ein früher Kritiker der Fotografie, schrieb über das Entdecken in der Fotografie; „und in einem zweiten Schritt mittels der Lupe noch geborgen werden muss Die Fotografie enthüllt etwas, das dann jedoch nur latent vorhanden ist“.
„Wenn sie sich in fähigen Händen befindet.“ Ergänzte Herr Rodolphe Radau, Astronom und Wissenschaftsjournalist, welcher früh schon gerne die Fotographie zur Sternenobservation nutzte.
Apropos fähige Hände; das Britisch Museum in London, war um 1850 im Begriff sich zu einer Institution zu entwickeln, die mehr sein wollte als eine elitär anmutende Sammlung von Kuriositäten. Es sollte Zentrum der Wissensproduktion für die verschiedensten Forschungsfelder werden. Aber man stand sich selbst im Weg. Zu konservativ, zu elitär, verhinderten sture Köpfe die Inbetriebnahme neuster Innovationen.
Eigentlich ein Glücksfall, dass der Entdecker der Fotografie William Fox Talbot wieder einmal bei seinen Versuchen die „Schönheiten der Umgebung mit dem Zeichenstift wiederzugeben“ scheiterte.
„Wenn das Auge sich von dem Prisma löste – in dem alles schön ausgesehen hatte – fand ich, dass der treulose Stift auf dem Papier nur traurige Spuren hinterlassen hatte“
Er präparierte normales Schreibpapier mit verschiedenen Lösungen von Kochsalz und Silbernitrat und machte es auf diese Weise lichtempfindlich, legte undurchsichtige Objekte darauf und setzte es der Sonne aus. Die belichteten Partien verfärbten sich dunkel, die übrigen blieben hell. Die so entstandenen Fotogramme nannte er Schattenzeichnungen.
dachte er, aber das Faszinosum für die Assyriologie verdrängte bald sein Schatten zeichnendes Hobby. Beide Speicher, Ton und belichtetes Papier könnten aber, so seine nächste Idee, eine ideale Symbiose eingehen. Talbot bat das British Museum nachdrücklich dazu, die Fotografie im Dienste der Entschlüsselung der Keilschrift zu stellen. Sein Ziel war es, den selbst heraufbeschworenen Fortschritts-Anspruch des Museums herauszufordern, indem die zerbrechlichen Tafeln mit den Inschriften mobiler in Szene gesetzt werden sollten. Einige Artefakte mit der noch nicht entschlüsselten Keilschrift wurden 1853 abgelichtet aber schlussendlich ihr Inszenator von den Resultaten ferngehalten. Zu hierarchisch streng wurde ihr Zugang kontrolliert und so behinderte die Struktur des Museums die Verbreitung assyriologischer Informationen. Tatsächlich dauerte es neun Jahre, bis Herr Talbot einige Fotos des Museumsfotographen Roger Fenton erhielt.
Das beschworene Ziel, gesammelte Artefakte der ältesten Zivilisationen der Welt mit neuesten Technologien zu entschlüsseln, versandete. Ohne klares zukunftweisendes Konzept war den spezialisierten Kuratoren nicht klar, was und aus welchem Grund fotografiert werden sollte. Logistische Fehlschlüsse und finanzielle Engpässe verhinderten zudem eine kontinuierliche Betriebsamkeit.
Der fähige Kriegsfotograf Roger Fenton, der aus dem Krimkrieg hunderte Aufnahmen als Vorlagen für die Militärmalerei heim brachte, begann motiviert seine Arbeit aber im Ergebnis ohne fruchtbares füreinander. Noch war die Bildsprache der Fotografie selbst zu neu, Standards noch nicht verifiziert. Mangels technischer Möglichkeiten war es zudem nicht möglich, Fotos im Zeitungsdruck wiederzugeben. Solcherart Aufnahmen blieben daher einen kleinen Kreis Enthusiasten vorbehalten. Herr Fenton wurde also kaum gebraucht und wenn, dann mit unbefriedigenden Ergebnis. Im Sommer 1858 beschlossen die Trustees, die Treuhänder des British Museum, ihren einzigen angestellten Fotografen, zu entlassen. Ihnen wurde Fentons Anstellung zu kostspielig und als nicht unbedingt notwendig eingestuft. So wäre die Fotografie, als dokumentarischer Blick in bzw. auf die Sammelleidenschaft des wissenschaftlich arbeitenden Hauses nur eine vorübergehende Episode zu nennen. Denn noch trennte sich der analytische Diskurs in einen institutionellen und feldforschenden Blick. Objekte und Artefakte wurden auf Expeditionen gesammelt, um später museal in Position gebracht zu werden. Hier und nur hier, war das Zentrum des Wissens. Hier trafen Kunst und Wissenschaft, Amateur und Experte aufeinander, konnten in Labors Objekte, die taxonomisch nichts miteinander gemein hatten wissenschaftlich bearbeitet werden. Hier erst, Dekontextualisiert ihres Ursprungs, konnte verglichen, archiviert, klassifiziert und unbeeinflusst von den Widrigkeiten der Natur geforscht werden. Fotografie sollte bitte vor Ort, im Einsatz, Fundstellen dokumentieren und Objekte erfassen.
„Es wäre sehr interessant, jeden Rest der Antike zu betrachten, bevor man ihn entfernt, und solange er noch in situ bleibt und von Steinen und Büschen und all den anderen Begleitungen wilder Natur umgeben ist “
Herr Fox Talbot wünscht sich mehr geschichtlichen Ballast auf den Bildern.
Wichtig !, aber doch nur Hilfsarbeit. Die Fotografie versprach noch nicht Katalysator des Verstehens von Artefakten, als Evidenz generierendes Hilfsmittel der Wissenschaft zu sein. Fenton, nun wieder in der freien Wirtschaft angekommen, fotografierte fortan Stillleben, Cricketspiele, königliche Schießveranstaltungen und ging als Kriegsfotograf wieder an die Front. 1862 beendete er die Arbeit als Fotograf, verkaufte seine Ausrüstung und verdiente sein Lebensunterhalt wieder als Rechtsanwalt. Schade. Erst 1927 entschied sich das British Museum, wieder langfristig einen Fotografen einzustellen. Roger Fenton aber war da schon 58 Jahre tot.